Wer erinnert sich an Salman Rushdie und seine „Satanischen Verse“? Damals verbreiteten Hassprediger Aufrufe zum Mord an dem Autoren, seinen Übersetzern und seinen Verlegern.
Ähnliche Reaktionen gab es für andere Kulturschaffende im Karikaturenstreit (dänische Mohammed-Karikaturen). Der mit 20 Jahren Berufsverbot belegte Regisseur Jafar Panahi aus dem Iran durfte im Februar 2013 nicht zur Berlinale reisen, um den Preis für seinen heimlich gedrehten Film Pardé („Geschlossener Vorhang“) entgegenzunehmen.
Übersetzer, die akribisch am schriftlichen Ausdruck feilen, bleiben in der Regel eher im Hintergrund und geraten somit selten ins Visier von Fanatikern.
Dolmetscher in Krisengebieten
Ganz anders ergeht es Dolmetschern, die in Kriegs- und Krisengebieten für die mündliche Verständigung sorgen. Bei internationalen Einsätzen wie derzeit in Afghanistan gelten sie bei ihren Landsleuten vielfach als Kollaborateure.
„Schutzlos in Afghanistan: Bundesregierung lässt Helfer der Bundeswehr im Stich“
Diesen Titel trägt ein Beitrag der ARD in Monitor, der am 11. April 2013 lief. Schnellentschlossene können den Beitrag aktuell noch online abrufen; er bleibt nach der Ausstrahlung normalerweise eine Woche zugänglich.
Vor laufender Kamera betont der deutsche Innenminister Friedrich erneut, dass beim Abzug der deutschen Truppen für die afghanischen Helfer der Bundeswehr und ihre Familien generell keine Visa zur Einreise nach Deutschland ausgestellt werden sollen – sie könnten auch innerhalb des Landes umgesiedelt werden.
Drohanrufe: „Wir finden euch!“
Nationen wie Neuseeland oder Australien stellen für ihre afghanischen Dolmetscher und deren Familien Visa aus – ohne lange Diskussion. Auch für die USA existiert ein offizielles Visa-Programm, das allerdings aus Terrorangst keineswegs reibungslos läuft, wie aus Berichten der Los Angeles Times oder der New York Times hervorgeht
Im Gegensatz zu Deutschland ist diesen Nationen bewusst, dass die Berichte über „Verräterlisten“ radikaler Gruppierungen keineswegs leere Drohungen sind. Deutsche Medien wie FAZ, Focus online und andere haben hierzu wiederholt berichtet. Eine Übersicht hat Richard Schneider in seinem Übersetzerportal uepo zusammengestellt.
Wer ein Visum hat, kann selbst entscheiden
Wohlgemerkt: Es geht um eine überschaubare Zahl an Menschen mit deutschen Sprachkenntnissen, die den deutschen Truppen das Leben in Afghanistan erleichtert und sinnvolle Einsätze überhaupt erst ermöglicht haben.
Sie sollten zumindest die Wahl haben, ob sie in ihrem Land bleiben und sich dort weiterhin für den Wiederaufbau und ein funktionierendes Gemeinwesen einsetzen oder ob sie sich lieber in Deutschland eine neue Existenz aufbauen. Anstatt sie im Ernstfall um ihr Leben laufen zu lassen, um auf ebenso irrwitzigen wie illegalen Wegen doch noch irgendwie nach Deutschland zu gelangen, wo man ihnen am Ende nach geltendem Recht den Aufenthalt gestatten würde.
Sollten wir den Menschen, die mutig genug waren, unsere Bundeswehrsoldaten bei ihrer Arbeit zu unterstützen, nicht lieber ganz regulär eine vernünftige Perspektive anbieten, wenn sie dies wünschen?
„Du bist zeitlebens für das verantwortlich, was du dir vertraut gemacht hast.“
Antoine de Saint-Exupery, Der kleine Prinz
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