Lesetipp: Start with why (Simon Sinek)

Auf einem Blog stolperte ich über die Empfehlung für das Marketingbuch Start with why : How great leaders inspire everyone to take action von Simon Sinek (Penguin 2009). Gekauft, gelesen, bearbeitet: Mein Exemplar enthält zahllose persönliche Anmerkungen.

Gleich vorweg: Simon Sineks Buch ist bisher nicht ins Deutsche übersetzt. Das ist ein Jammer, denn dieses Buch enthält eine Fülle an wertvollen Anregungen für Freiberufler, Führungskräfte, Marketingexperten, Verkaufsprofis und insbesondere Unternehmer.

„I have a dream“

„Ob als Einzelner oder als Organisation – wir folgen denen, die uns führen, nicht, weil wir es müssen, sondern weil wir es wollen. Wir folgen ihnen nicht um ihretwillen, sondern um unsretwillen.“

(Simon Sinek)

Die 250 000 Teilnehmer des Großen Marschs nach Washington kamen 1963 nicht, um Martin Luther Kings Rede zu hören (die der Legende nach spontan entstand, als Mahalia Jackson ihn mitten in seiner Ansprache beschwor: „Tell ’em about the dream, Martin!“). Sie nahmen den Weg auf sich, weil sie es für wichtig hielten, an diesem Tag höchstpersönlich für das einzustehen, woran sie glaubten. King war nur die Gallionsfigur, die es in Worte fasste.

… und der Funke springt über

Laut Sinek entspricht der Goldene Kreis aus Warum–Wie–Was dem Aufbau unseres Gehirns: Ganz außen sitzt die logisch denkende Hirnrinde (Was), ganz innen das von Gefühlen und Bildern geleitete limbische System (Warum).

Jede Führungspersönlichkeit hat eine Vision, die das limbische System anspricht. In dieser sehr alten Hirnregion reagieren wir spontan, gefühlsgesteuert und – sprachlos. Nur von diesem Punkt aus kann der Funke auf andere überspringen.

Erfolgreiche Unternehmen und Institutionen stellen dieses Warum – die Mission oder Vision – konsequent in den Mittelpunkt und verlieren es nie aus den Augen. Wie sie ihre Arbeit erledigen und was sie dabei im Einzelnen tun, resultiert aus dem Warum.

Der Goldene Kreis

Das Wie oder Was wird erst erklärt, sobald der potenzielle Kunde aufgrund unseres Warum überlegt, auf welche Weise das, was andere antreibt, sein eigenes Warum unterstützen könnte.

Übersetzer bleiben bei der Selbstdarstellung häufig außen hängen, beim Was, also beispielsweise:

Mein WAS:

„Ich übersetze englische und spanische Gegenwartsliteratur mit den Schwerpunkten Fantasyroman und gesunde Ernährung, Psychologie und Medizin.“

Noch Fragen? Sind wir aufgrund unserer Sprachfixierung so betriebsblind, dass wir vergessen, dass wir unser Gegenüber über Gefühle und Bilder ansprechen müssen?

Gerne erklären wir Übersetzer auch das Wie:

Mein WIE:

„Ich arbeite gewissenhaft und zügig, bilde mich in meinen Fachgebieten ständig fort und pflege akribisch meine Glossare. Für Fachübersetzungen, wo zusätzliche Kriterien zu beachten sind, nutze ich Spezialsoftware für Übersetzer.“

Gähn. Mein Kunde will zuverlässig und pünktlich ein gutes deutsches Manuskript, in dem Inhalt und Stil stimmen. Wie ich das anstelle, ist ihm relativ egal, sofern er das Ergebnis problemlos verwerten kann.

Deshalb sollte man immer mit dem Warum beginnen:

Mein WARUM:

„Ich liebe es, sprachlich aus dem Vollen zu schöpfen. Wenn ich Ratgeber zu meinen Lieblingsthemen – gesunde Ernährung, Diabetes und Folgeerkrankungen, Psychologie – oder aber Fantasyromane in das passende Deutsch übertrage, tauche ich vollständig in mein Thema ein und bewege mich über Wochen ganz in dieser Welt. Ich schildere besonders gern, wie schön es wäre, wenn… also die perfekte Utopie!“

Der Sellerietest: Konsequent bleiben

Um zu klären, ob das Wie und das Was stimmig dem Warum des Unternehmens entsprechen, empfiehlt Sinek in Kapitel 10 den Sellerietest: Wenn gesunde Ernährung der Hauptantrieb ist, bleibe ich (auch vor mir selbst) glaubwürdig, wenn ich mich beim Einkauf auf Sellerie beschränke und nicht auch Kekse und Marshmallows auf das Band lege. Sprich: Ich baue konsequent mein Expertenwissen aus.

Wer sich auf ein Warum konzentriert, hat es dabei also leichter. Als Literaturübersetzerin ist es mir allerdings aus leidiger Erfahrung zu gefährlich, nur auf ein Pferd zu setzen. Zudem habe ich längst Expertenwissen in ganz unterschiedlichen Bereichen. Und nach wochenlanger intensiver Auseinandersetzung mit einem speziellen Thema tut ein radikaler „Weltwechsel“ der Psyche und dem Sprachzentrum gut.

Chancen nutzen, die zum eigenen Warum passen

Zum Glück kann ich als Freiberufler meine Ziele selbst definieren, so lange das nicht in Selbstausbeutung und Offenbarungseid mündet. Wenn sich neue Chancen ergeben, die mein sprachliches, fachliches oder auch technisches Repertoire erweitern, kann ich zugreifen. Denn mein Warum spiegelt in erster Linie das Interesse an einer sprachlich gelungenen Vermittlung von Inhalten aus meinen Fachgebieten.

Kennen Sie Ihr persönliches Warum? Ich bin mir sicher, dass auch Literaturübersetzer ganz unterschiedliche Antriebe haben. Wie lautet Ihrer?

Liest hier ein Lektor mit? Dieses Buch würde ich liebend gern übersetzen. Auf Blogs wird es als Klassiker gehandelt und ist flott formuliert und inspirierend. Bis dahin ist das Buch als Taschenbuch, als E-Book und als Audio CD auf Englisch erhältlich.

Imke Brodersen

Ein Blog von Imke Brodersen über Bücher, Autoren und den Alltag einer Literaturübersetzerin. A German literary translator's blog on books, authors, and translating in general. By Imke Brodersen.

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