Unter den knapp 80 000 Titeln, die 2012 in Erstauflage auf den Buchmarkt kamen, waren laut Meldung des Börsenblatts des Deutschen Buchhandels 10 862 Übersetzungen aus aller Herren Länder.
Diese Übersetzungen sind allen Unkenrufen zum Trotz in vielen Fällen für die Verlage lukrativ – nach einer Meldung des VdÜ waren 2007 die Hälfte der Titel auf der Bestsellerliste Übersetzungen.
Teil 6: Finanzplanung
Mit dem, was wir Literaturübersetzer über Wochen bis Monate (oder im Einzelfall Jahre) im stillen Kämmerlein bearbeiten, wird am Ende also der Buchmarkt beliefert. Unsere Übersetzung ist Teil der Ware Buch (oder E-Book oder Hörbuch) und möchte Käufer finden. Aufgrund der Vorauswahl der Verleger bzw. Lektoren (die nur bei guter Spürnase ihren Job behalten) haben Übersetzungen häufig die Chance, ihre Kosten einzuspielen.
Tipp 16 für angehende Literaturübersetzer:
Was du tust, hat nicht nur ideellen Wert.
Wer neben Nahrung und Kleidung auch Miete, Kinder und Urlaub finanzieren möchte, braucht ein angemessenes Honorar. Aber Vorsicht: Der Umsatz über das Übersetzerhonorar ist noch lange nicht der Gewinn.
Sauber kalkulieren
Vom Honorar fließt bei Freiberuflern etwa ein Drittel in Form von Betriebskosten und Abschreibung umgehend in die „Firma“ zurück – Miete und Nebenkosten fürs Arbeitszimmer, Anschaffungskosten für PC, Drucker, Software, Antivirenprogramme, Werbung & Grafik (zum Beispiel Visitenkarten, Flyer, Webseite), Steuerberatungskosten, Fachliteratur, Telefon, Internet, Beiträge zu Berufsverbänden, Fortbildungen und so weiter.
Die Fachverbände publizieren immer wieder Beispielrechnungen, die zeigen, was alles in die Rechnung einfließt.
Steuern und Versicherungen
Neben der Umsatzsteuer (hoffentlich liegt ihr oberhalb der Grenze von 17 500 Euro!) und Vorsteuer (wer keine Steuern zahlt, verdient zu wenig) sind vor allem Krankenversicherung und Altersvorsorge ein dicker Batzen. Hier hilft die KSK (Künstlersozialkasse): Wer den Großteil seines Einkommens (also mindestens 70 bis 80 Prozent) aus kreativen Tätigkeiten wie Literaturübersetzen, Texten, Lektorat usw. erzielt, ist in der KSK Pflichtmitglied und muss sich daher dort anmelden.
Das Nette daran: Die Verlage und sonstige Auftraggeber kreativer Leistungen beteiligen sich mit einem „Arbeitgeberanteil“ an diesen Kosten, so dass wir Künstler nur mit einem „Arbeitnehmeranteil“ in der Pflicht sind.
Das ist ein etwas verqueres Modell, denn ich könnte meinem Kunden die Kosten natürlich auch direkt einpreisen. Allerdings neigen Kulturschaffende leider dazu, ihre Leistung unter Marktwert anzubieten, weil uns das kreative Schaffen solche Freude macht oder das jeweilige Projekt so verlockend erscheint. Wir sind Künstler, aber nicht immer Überlebenskünstler.
Tipp 17 für angehende Literaturübersetzer:
Bei der KSK und bei der VG Wort anmelden.
Die Verwertungsgesellschaft Wort (VG Wort) in München sorgt dafür, dass Autoren und Übersetzer an der unbezahlten Verwertung ihrer Texte beteiligt werden, also zum Beispiel an der Ausleihe in Bibliotheken oder an Klicks im Internet. Die Ausschüttung kommt regelmäßig im Spätsommer und kann ein netter Urlaubszuschuss sein.
Der Papierkrieg zu Beginn lohnt sich durchaus. Später kann man mit dem entsprechenden Passwort Texte online melden (T.O.M.-System).
Was bleibt unter dem Strich übrig?
Was NACH Abzug von Betriebskosten, Krankenkassen- und Rentenbeiträgen und Steuern noch übrig bleibt, ist mein Verdienst als freiberufliche Übersetzerin. Also das, was bei Arbeitnehmern auf dem Konto landet. Stimmt’s? Falsch! Arbeitnehmer bekommen ihr Geld auch bei Krankheit und im Urlaub – Freiberufler nicht!
Arbeitnehmer zahlen in die Arbeitslosenversicherung ein – Freiberufler nicht! Daher muss ein Freiberufler ausreichende Rücklagen für Auftragsflauten bilden (und die kommen zuverlässig!). Es winkt auch keine Betriebsrente, also muss man anderweitig für das Alter vorsorgen, zum Beispiel Wohneigentum, Aktien, Pflegeversicherung und so weiter. Gar nichts zu tun, wäre sträflicher Leichtsinn, sofern ich nicht die Gattin eines gut verdienenden Ehemanns bin oder ein dickes Erbe winkt.
Tipp 18 für angehende Literaturübersetzer:
Beziehe bei der Honorarfindung alle oben genannten Punkte ein.
Nicht jeder hat die gleichen Ansprüche an das Leben. Aber Literaturübersetzer sollten sich nicht auf eine prekäre Existenz einlassen, nur um Bücher zu übersetzen, von denen am Ende andere profitieren (Autoren, Agenten, Verleger, Lektoren, Buchhändler, Online-Buchhändler und nicht zuletzt die Leser). Und wer auf das Honorar finanziell nicht angewiesen ist, sollte seine Leistung aus den vorgenannten Gründen nicht unter Preis verscherbeln.
Wie ein kostendeckendes Honorar für Buchübersetzungen konkret kalkuliert wird, erkläre ich im nächsten Post dieser Reihe.