Lesenswert: Blackout – Morgen ist es zu spät

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Mitten im Februar fällt in Europa der Strom aus. Erst in Italien. Dann in Schweden. Und wie in einer Kettenreaktion bricht in ganz Europa das Netz zusammen.

Der Mailänder Informatiker Piero Manzano vermutet sehr frühzeitig einen generalstabsmäßig geplanten Hackerangriff, doch es ist ungemein schwierig, bei den zuständigen Behörden Gehör zu finden. Denn unvermittelt gerät Manzano selbst in Verdacht.

„… jemand hat uns tatsächlich das Licht ausgeknipst. Dem ganzen Land.“

Zusammenbruch der Zivilisation

Konsequent schildert Marc Elsberg in Blackout die Schritte, mit denen unsere Zivilisation in Anarchie übergeht. Nachdem in Europa über etliche Tage nur noch „Strominseln“ aufrecht zu erhalten sind, bricht unser ausgeklügeltes Versorgungsnetz zusammen: Verkehr, Waren, Geld, Wasser – alles wird durch Strom am Leben erhalten..

Mangels öffentlicher und privater Verkehrsmittel können die Beschäftigten ihre Arbeitsplätze nicht mehr erreichen. Schon nach wenigen Tagen finden Plünderungen statt, bewaffnete Banden treiben ihr Unwesen, es kommt zu Revolten und Putschen. Das Misstrauen wächst, und irgendwann versucht man nur noch, die eigene Familie zu retten. Und dann werden die ersten Störfälle in Atomkraftwerken gemeldet.

„Krisen wecken oft das Beste im Menschen. (…) Aber machen wir uns nichts vor. Je länger dieser Zustand anhält, desto schwächer werden diese Strukturen.“

Wie abhängig sind wir?

Beim letzten längeren Stromausfall, von dem ich selbst betroffen war, fuhr abrupt der Computer herunter. Dank moderner Technik hatte ich glücklicherweise keine Datenverluste, nur unverhoffte Freizeit. Also ging ich ganz naiv erst einmal eben einkaufen. Beim Gärtner addierten die Angestellten die Preise per Hand; der Supermarkt war geschlossen.

Mangels Gasherd blieb die Küche kalt. Inzwischen haben wir immerhin einen Gasgrill draußen stehen.  Binnen kurzem waren überall Leute auf den Straßen, und die Hunde im Ort freuten sich über ausgiebige Spaziergänge.

Ein paar Stunden Stromausfall sind entspannend und kommunikativ. Bei längerer Dauer liegen schnell die Nerven blank, wie die Menschen in Europa beispielsweise im November 2006 und 2005 sowie im Januar 2007 erleben mussten. Und wenn dann keine Hilfe von außen kommen kann, weil auch die Nachbarregion betroffen sind, ja, ganz Europa zu kämpfen hat?

Bin ich vorbereitet?

Beim Lesen derartiger Szenarien ruft man unwillkürlich bisherige Erfahrungen ab und stellt sich die Frage, wie man selbst reagieren könnte. Auch Marc Elsberg hat inzwischen seinen persönlichen Plan B, wie er im Interview verrät – zumindest hat er „ein paar Vorräte mehr im Haus“.

Wie Behörden und Hilfsorganisationen sich auf derartige Szenarien vorbereiten, lässt sich beispielsweise hier nachlesen: Krisenmanagement Stromausfall (32-seitige Kurzfassung am Beispiel Baden-Württemberg).

Wem das nicht reicht, der findet in Blackout sicher zahlreiche Anregungen für die Eigenvorsorge.

Zwei Tage blieb die Küche kalt

Blackout war so spannend, dass ich den Kindle nicht mehr aus der Hand gelegt habe. Ständige Schauplatzwechsel zwischen Italien, Deutschland, Österreich, Frankreich, Belgien und weiteren Ländern erhöhen die Spannung – ein bisschen wie im Lied von Eis und Feuer von George R.R. Martin, wo man ständig im Hinterkopf hat, was wohl gerade aus den anderen Hauptpersonen wird. Diese Schreibweise von mehreren Parallelebenen ähnelt unserer heutigen Denkweise, in der wir uns in zahlreichen Communities und Zeitzonen parallel bewegen; es ist wie Zappen beim Lesen.

Blackout fällt als sauber recherchiertes, absolut vorstellbares Katastrophenszenario für mich in dieselbe Kategorie wie Die Flucht der Ameisen von dem Geologen Ulrich C. Schreiber (Vulkanausbruch in der Eifel), Die Wolke von Gudrun Pausewang (2006 verfilmt) oder Die Welt wie wir sie kannten von Susan Beth Pfeffer (düsterer amerikanischer Jugend-/Endzeitroman, Überleben nach Kometeneinschlag) und natürlich Filme wie The Day after Tomorrow und 2012.

 „Hunger, Durst und Kälte werden unsere zivile Fassade sehr bald bröckeln lassen.“

Manzanos Irrfahrt durch Europa schreit geradezu nach einer Verfilmung, und ich gehe davon aus, dass bereits ein Drehbuch existiert. Auf den Film freue ich mich schon heute! Ich wünsche dem Buch Übersetzungen in alle europäischen Sprachen, denn es wirft Fragen über die Brüchigkeit unserer Zivilisation auf, die weit über das Thema Stromausfall hinausgehen.

Der Autor

Ein Blog von Imke Brodersen über Bücher, Autoren und den Alltag einer Literaturübersetzerin. A German literary translator's blog on books, authors, and translating in general. By Imke Brodersen.

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