Wenn ich erzähle, dass ich Bücher übersetze, ernte ich in der Regel zwei Reaktionen: Auf glänzende Augen und ein sehnsüchtiges „Toll! Das würde ich auch gern machen“, folgt ziemlich schnell: „Aber davon kann man ja nicht leben.“
Da ich nach 20 Jahren Literaturübersetzen immer noch am Leben bin, fragen mich insbesondere junge Kolleginnen und Kollegen in letzter Zeit vermehrt, wie ich das angestellt habe. Um dieses Thema soll es in dieser Postreihe gehen.
Teil 1: Der erste Auftrag
Manche Übersetzer übersetzen Handbücher für Kraftfahrzeuge, Flugzeuge oder Software, andere jonglieren mit Finanzprodukten, texten für die Werbung, übertragen Unterlagen für Gerichtsprozesse oder passen Schulungsunterlagen an die Zielkultur an.
Ich übersetze englische und spanische Bücher ins Deutsche. Seit 1991 sind über 80 Romane und Kurzgeschichten sowie über 30 Sachbücher durch mein Hirn und meine Finger gewandert – im Schnitt also fünf Bücher pro Jahr.
Angefangen habe ich in Heimarbeit parallel zu meiner damaligen Festanstellung als Exportsachbearbeiterin (mit Wissen und Zustimmung meines Chefs – noch einmal besten Dank dafür!).
Tipp 1 für angehende Literaturübersetzer:
Sichere deine materielle Existenz zunächst anderweitig ab.
Mein Einstieg: Fantasy-Romane
Damals war ich aktive und begeisterte Rollenspielerin – die Art von Rollenspielen, bei denen man für einen Abend in die Rolle eines Elfenzauberers, einer menschlichen Kriegerin, einer Zwergenklerikerin oder eines langfingrigen Halblings schlüpft und versucht, ein vorgegebenes Abenteuer zu bewältigen: Monster besiegen, Gegner austricksen, Fallen finden und Schätze bergen. Ganze Nächte haben wir Dungeons & Dragons gespielt.Als begeisterte Fantasy-Leserin und Spielerin war somit für mich klar: Das will ich auch übersetzen!
Tipp 2 für angehende Literaturübersetzer:
Übersetze, wofür du sowieso brennst.
Kaltakquise vor 20 Jahren
Anfang der 90er Jahre, als das Internet für den Normalverbraucher noch in den Kinderschuhen steckte, schickte ich also einen Brief nach Amerika und bot mich als Übersetzerin für eine bestimmte Romanreihe an. Nach einigen Wochen kam die Antwort: Für die Übersetzungen ins Deutsche sei die Zentrale in England zuständig. Prima, also schrieb ich nach England. Die Engländer verwiesen mich an ihren Partner in Deutschland, der die Übersetzungen der Rollenspiele, Computerspiele und eben Romane koordinierte, und dieser freundliche Herr verriet mir den zuständigen Lektor im Goldmann Verlag.
Das alles hatte bestimmt ein Vierteljahr gedauert, und nun teilte mir der Lektor mit, dass die Romane bereits übersetzt würden. Immerhin kamen wir ins Gespräch, und plötzlich sagte er: „Ich hätte da aber etwas anderes. Mir ist gerade jemand ausgefallen.“
Er schickte mir den Text für eine Probeübersetzung (ja, wirklich per Briefkastenpost), und schließlich erteilte er mir meinen ersten Auftrag, „The Dragon Prince“ von Melanie Rawn, inzwischen unter dem Titel „Mondläufer“ neu aufgelegt – ein phänomenales Drachenkonzept und ein faszinierender Gesellschaftsentwurf voller Intrigen und Machtspiele.
Tipp 3 für angehende Literaturübersetzer:
Dran bleiben und konsequent jede Chance nutzen!
Aus diesem Einstieg entwickelte sich eine langjährige Zusammenarbeit und eine Spezialisierung auf die Übersetzung langer, komplexer Fantasy-Serien aus dem Englischen. Gelernt habe ich dabei, dass es darauf ankommt, nicht auf halber Strecke entmutigt aufzugeben.
Waren diese Tipps hilfreich? Die Serie wird fortgesetzt – im Wechsel mit Lesetipps und aktuellen Meldungen aus der Übersetzerwelt. In Teil 2 geht es um die nötige Qualifikation. Alle Posts auf einen Blick findet ihr über das Stichwort „Bücher übersetzen“.
[…] ich ganz konkret angefangen habe, findet sich in Teil 1 meiner Serie mit Tipps für angehende […]