Das Übersetzen von Büchern gilt in Deutschland als künstlerische Tätigkeit, und mit der Veröffentlichung ist ein eigenständiges Urheberrecht verbunden. In diesem Beitrag geht es um das erforderliche Rüstzeug für Literaturübersetzer.
Teil 2: Künstler, Handwerker oder Kunsthandwerker?
Eine gute Voraussetzung ist natürlich ein Übersetzerstudium mit dem Schwerpunkt Literatur, wie es beispielsweise an der Ludwig-Maximilian-Universität München (auch für Quereinsteiger oder alte Hasen, 2 Semester) oder an der Universität Düsseldorf (grundständiges Studium) angeboten wird.
Neben diesen stark spezialisierten Studiengängen funktioniert der Einstieg aber insbesondere in selteneren Sprachen auch über ein allgemeines Sprachstudium, idealerweise in Kombination mit Germanistik. Unerlässlich sind solide Fremdsprachenkenntnisse (für Dialoge auch in mündlicher Sprache und Dialekten!) sowie ein breites Wissen über Literatur, Kultur, Geschichte, Politik und sonstige Aspekte.
Idealerweise lernt man die fremde Kultur bei längeren Auslandsaufenthalten so umfassend wie möglich kennen. Den Auslandsaufenthalt bitte keinesfalls auf „später“ vertagen, sondern dafür alle Hebel in Bewegung setzen, Stipendien beantragen und Austauschprogramme mit Partnerunis nutzen! Jede Gelegenheit, den eigenen Horizont zu erweitern, ist für Literaturübersetzer Gold wert.
Ich selbst habe mich während meines Übersetzerstudiums in Germersheim vor allem mit englischer Literatur auseinandergesetzt. Das Sahnehäubchen war ein praktisch orientiertes Seminar bei der sehr engagierten Dozentin Signe Rüttgers (unsere Teamübersetzung wurde bei Diogenes veröffentlicht), und als Diplomarbeit folgte die Analyse der damals aktuellen Romanübersetzung von „The Clan of the Cave Bear“ , dem ersten Teil von Jean M. Auels international überaus erfolgreichen, fünfbändigen Steinzeitserie – ins Deutsche übersetzt von Mechthild Sandberg: „Ayla und der Clan des Bären“; 1986 verfilmt mit Daryl Hannah. Damit fühlte ich mich zumindest theoretisch gut gerüstet, um Unterhaltungsliteratur zu übersetzen.
Tipp 4 für angehende Literaturübersetzer:
Den passenden Studiengang wählen.
Muttersprachliche Kompetenz
In Germersheim wurden alle Erstsemester auf ihre „muttersprachliche Kompetenz“ geprüft, was bei uns spontan viel Kopfschütteln erzeugte. Anstatt Vokabeln in unseren Fremdsprachen paukten wir also zuallererst Rechtschreibung, Grammatik und Zeichensetzung in der eigenen Muttersprache und erwarben damit die unerlässliche Grundvoraussetzung für jeden, der professionell mit Sprache arbeiten will.
Zum Training des eigenen Sprachgefühls empfiehlt sich, viel Literatur in der eigenen Sprache zu lesen, insbesondere von deutschen Autoren, aber auch Übersetzungen aus anderen Sprachräumen. Nur so sind Übersetzer in der Lage, sprachlich aus dem Vollen zu schöpfen, Nuancen zu übertragen und dem Leser die jeweilige Story unter Einbeziehung von Kultur, Stilebene und Ausdrucksweise des Autors nahezubringen.
Warum darüber hinaus eigene Schreiberfahrung zählt und wie man sie sich aneignet, wird später in einem separaten Post behandelt.
Tipp 5 für angehende Literaturübersetzer:
Perfektion im Umgang mit der eigenen Muttersprache anstreben.
Der handwerkliche Aspekt
Lerne 10-Finger-Schreiben. Blind, fehlerlos und in sauberer Arbeitshaltung! Manche Profis schwören auf Diktierprogramme, insbesondere auf das Spracherkennungsprogramm Dragon von Nuance. Ich selbst konnte mich damit bisher nicht anfreunden, weil ich das Gefühl habe, „über die Hände“ zu formulieren. Aber Diktierprogramme schonen Schultergürtel und Sehnenscheiden, klassische Schwachpunkte für die Zunft der Übersetzer, die mitunter den Umstieg auf derartige Programme erzwingen.
Ein Computer mit gängiger Textverarbeitung, Internetzugang und mehreren Bildschirmen (für Ausgangs- und Zieltext, Recherchen und Glossare) gehören ebenso zur professionellen Ausstattung wie die Rechtschreibkorrektur – Standard ist immer noch die neueste Version des Duden.
Tipp 6 für angehende Literaturübersetzer:
10-Finger-Schreiben lernen und nicht bei der Software sparen.
CAT-Programme für die computergestützte Übersetzung können zwar davor bewahren, auf 400 Seiten Text mal einen Satz zu übersehen, stören aber meiner Erfahrung nach den natürlichen Textfluss. In der Literaturübersetzung, wo es um kreatives, flüssiges Formulieren geht, sind solche Programme in der Regel kontraproduktiv.
Welche Hilfsmittel neben dem Duden hilfreich sind, wie man sich mit Kollegen vernetzen kann und wo es Fortbildungen gibt, klären wir in späteren Beiträgen.
Waren diese Tipps hilfreich? Die Serie wird fortgesetzt – immer im Wechsel mit Lesetipps und aktuellen Meldungen aus der Übersetzerwelt. Aktuelle Hinweise auf Änderungen bei der Ausbildungssituation sind willkommen. Alle Posts dieser Serie findet ihr mit dem Stichwort „Bücher übersetzen“ (oder die entsprechende Kategorie anklicken).